Ein schöner Artikel von Lisa Boekhoff über mich und meinen Laden im Weser Kurier. Die tollen Fotos sind von Christina Kuhaupt.
Vielen Dank!
Frau Petry und die Pinguine
Im Bremer Viertel liegt das Zuhause von Andrea Petry – und zugleich ihr Arbeitsplatz. Denn im Ladengeschäft unten im Haus entwirft und fertigt die Gründerin Taschen. Außerdem bringt sie anderen das Nähen bei.
Pinguine treiben sich bekanntlich auf der Südhalbkugel herum. Ein besonderes Exemplar aber hat im Bremer Viertel seinen Lebensraum gefunden. Im Schaufenster wacht das Tier über die Taschenmanufaktur von Andrea Petry. Und selbst ohne Eisscholle passt die Holzfigur gut hierher. Schließlich trägt das Geschäft den an die Seevögel angelehnten Namen Pynguin.
Die von Petry unter diesem Label designten Stücke sind allerdings weder Schwarz noch Weiß, sondern im Gegenteil: im knalligen Sonnengelb oder Petrol entworfen, mit Punkten, Dreiecken oder Schwänen versehen. Wer an Schulter, Hüfte oder Handgelenk eine Pynguin trägt? Der fällt auf. Dessen Turnbeutel, Reisetasche oder Clutch ist ein Hingucker.
Gelernte Tischlerin
Andrea Petry ist eigentlich gelernte Architektin und Tischlerin. Doch schon als Jugendliche nähte sie gerne: „Das hat mich nie so richtig losgelassen.“ Obendrauf kam ihr Wunsch, sich selbstständig zu machen. Freunde, für die sie ebenfalls Stücke entwarf, ermutigten sie zudem: „Zeig das doch mal!“ Aus der Architektin und Tischlerin wurde schließlich eine Taschendesignerin. Doch Petry sieht eher die Parallelen: In der Ausbildung habe sie zum Beispiel gelernt, genau mit Holz zu arbeiten, eine Präzision, die an der Nähmaschine gefragt ist, selbst wenn das Material ganz anders ist. Wenn man sich eine Tasche überlege, sei außerdem wichtig, dreidimensional zu denken: „Das kommt aus dem Studium.“
Im Gespräch streicht Petry immer wieder mal mit beiden Händen im Wechsel über den Tisch vor sich – als müssten dort Krümel weggewischt werden. Ob Architektin, Tischlerin oder Taschenmanufaktur: Feines Gespür für Material braucht es in allem.
Aus dem Wohnzimmer wurde das Atelier
Und wie fing es mit dem Geschäft in der Horner Straße genau an? „Ganz klein“, sagt Petry. Vor zehn Jahren kaufte sie mit ihrem Mann das Haus und plante direkt das kleine Atelier mit: „Ich habe ganz vorsichtig angefangen, Taschen ins Fenster zu stellen.“ Damals war der Laden fast winzig, direkt hinter ihm wohnte die Familie. „Da war die Küche und hier das Wohnzimmer“, zeigt Petry dorthin, wo heute Regale mit Nähmaschinen, noch mehr Stoffrollen und Arbeitstische stehen. „Ich habe hier gearbeitet, und dort haben die Kinder mit Lego gespielt. Das war manchmal laut“, erinnert sich Petry: Kunden standen im Atelier und von nebenan war Krach zu hören.
Nun aber passt die Kombination: Die Familie bewohnt inzwischen den oberen Teil des Altbaus und für Pynguin ist viel mehr Platz. Petry ist glücklich mit der Nähe von Arbeit und Wohnen, wenngleich es manchmal auch anstrenge, dass alles miteinander verzahnt sei. Doch für ihre Kinder sei sie so greifbar und fühle sich zwischen Familie und Beruf nicht zerrissen. Ihr Laden wuchs, weil sich das Geschäft lohnte. Die Gründerin merkte: „Okay, da geht was.“
Kunden können Formen und Farben auch aussuchen
An der Manufaktur ist besonders, dass die Kunden Formen und Farben auch aussuchen können. Viele hätten konkrete Wünsche, wollten eine bestimmte Tasche mit einem bestimmten Stoff. Auch online verkauft Petry ihre Stücke sowie Nähsets mit Anleitung, Schnittbogen und Stoff. In den vergangenen Wochen war das eine Erleichterung, weil damit trotz Corona noch etwas Umsatz möglich war.
Der Platz für Pynguin ist zudem nötig, weil Petry sonst auch Nähkurse gibt. Kinder oder Erwachsene können hier in kleinen Gruppen die Arbeit an der Nadel lernen oder ausbauen. Gerade die Kinder seien sehr stolz, wenn sie aus einem Stück Stoff einen Turnbeutel, Schlüsselanhänger oder ein Monster schaffen. Ob Talent oder nicht: Alle sollen am Ende mit einem Stück rausgehen. In den Kursen merkten die Kinder, dass das Nähen Zeit kostet: „Sie sind manchmal sehr überrascht, wie aufwendig so etwas ist.“
Handytaschen mit Platz für Geld oder Kopfhörer
Welches ihrer Teile mag die Designerin denn am liebsten? „Ich finde meine Handytaschen total cool“, sagt Petry und lacht dabei. In einem Seitenfach sei Platz für Geld oder Kopfhörer. Die Tasche benutze sie selbst, wenn sie abends ausgehe: „Dann habe ich schon alles dabei.“
Gerade ist bei ihr etwas besonders gefragt. Schon vor der Maskenpflicht setzte sich Petry an die Nähmaschine, um den Mund-Nasen-Schutz zu produzieren – zunächst für Freunde und Bekannte, später zum Verkauf. Ihr Mann half mit und frage nun oft: „Wollen wir wieder Masken nähen?“ Corona macht Petry Sorgen, aber weniger um sich selbst als um andere. Die Konsequenzen sei nicht absehbar: „Das kann jemanden ruinieren.“
Im Herbst auch ein Kinderbuch
Im Laden nimmt der Verkauf der Taschen allmählich wieder zu. Im Herbst soll zudem ein Kinderbuch erscheinen, an dem Petry mit zwei Freundinnen gearbeitet hat: „Erik und Elisas Abenteuer“. Dafür hat Petry passend zur Geschichte Nähanleitungen geschrieben.
Am Stoff gefällt ihr besonders, dass neben der Nähmaschine oder sogar bloß einer Nadel wenig Werkzeug da sein muss – ganz anders als beim Tischlern. „Das finde ich ganz schön am Stoff.“ Als erste Teile entwarf sie damals eine Tasche in Trapezform und einen Shopper: „Die gehen immer noch gut.“
Wie es zum Firmennamen gekommen ist
Aber wie kommt nun der Pinguin von der Südhalbkugel in die Hansestadt? Das Label jedenfalls setzt sich aus den Nachnamen der Gründerin und ihres Mannes zusammen: Pyng. Während ihres Architekturstudiums arbeiteten die beiden an einem Entwurf und benannten ihn nach sich: mit Pyng. Das war fortan gesetzt: „Dann waren wir die Pyngs.“
Und der Pinguin im Schaufenster? Petry hat ihn auf einem großen Flohmarkt entdeckt: „Der nahm fast das ganze Dorf ein. Da stand er auf einmal.“ Nun wacht der Pinguin getreu über die Taschen, über die Hüllen für Habseligkeiten – in Petrol oder mit Schwänen darauf.
Andrea Petry schätzt die Freiheit und Vielfalt ihrer Selbstständigkeit. „Wenn ich einfach nur abarbeiten möchte, kann ich mir einen Podcast anmachen und zehn Handytaschen nähen. Das ist für mich einfach Luxus: dass ich selbst entscheiden kann.“ Plan P ist für sie aufgegangen.